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Was ist eine refraktäre Zöliakie und wie wird sie diagnostiziert – Einblick in die aktuelle Forschung

Dr. Schär Institute Zöliakie Glutenunverträglichkeiten Refraktäre Zöliakie
Die Zöliakie lässt sich in verschiedene Formen einteilen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der refraktären Zöliakie und ihrer Diagnose.
Eine Zöliakie lässt sich in aller Regel gut mit einer glutenfreien Diät behandeln. Bei einem sehr kleinen Anteil aller Zöliakie-Betroffenen (ca. 0,5 % aller Betroffenen) entsteht allerdings eine refraktäre Zöliakie, d. h., es entwickelt sich eine erneute Zöliakie-ähnliche Erkrankung trotz der gewissenhaften Einhaltung einer glutenfreien Diät. Diese gilt es sicher zu erkennen, da bei einigen Patienten mit refraktärer Zöliakie sich schwerwiegende Folgeerkrankungen (z. B. eine Lymphomerkrankung, d. h. eine bösartige Erkrankung bestimmter Entzündungszellen) entwickeln können. Um solche Situationen zu erkennen, ist die aktuelle Diagnostik bereits aufwendig und umfasst Untersuchungen der Zellen und des Erbmaterials (Desoxyribonukleinsäure, DNS) aus dem bei einer Gastroskopie (d. h. Magen- und Dünndarmspiegelung) gewonnenen Gewebe. Ziel dieser Diagnostik ist es zu erkennen, ob Patienten, die nach klinischer Einschätzung eine refraktäre Zöliakie haben, zu denjenigen gehören, die eine sogenannte T-Zell-Lymphomerkrankung entwickeln können (refraktäre Zöliakie Typ II), oder ob es sich eher um die weniger schwerwiegende refraktäre Zöliakie Typ I handelt. In dem Falle der Typ-IIrefraktären Zöliakie muss der Patient engmaschig kontrolliert und ggf. einer medikamentösen Therapie zugeführt werden. Hier ist positiv zu vermerken, dass die in den letzten Jahren vorwiegend in den Niederlanden entwickelten Therapien für die schwerwiegende Form der refraktären Zöliakie (dem Typ II) eine deutliche Therapieverbesserung darstellen. Gerade deshalb ist es so wichtig, rechtzeitig die Einteilung in eine Typ-I- bzw. Typ-II-Erkrankung vorzunehmen. Allerdings erlaubt die aktuell etablierte Diagnostik in einem Teil der Patienten keine zuverlässige Zuweisung zu den Subtypen. Deshalb haben wir in Berlin einen Forschungsschwerpunkt zur Verbesserung der Diagnostik bei diesen Erkrankungen eingerichtet, in dem wir zwei neue Teststrategien entwickelt haben. Diese sollen im Weiteren an Patienten mit diesen Erkrankungen unter der Vorstellung getestet werden, zu einer zuverlässigen Diagnosestellung beitragen zu können. Ferner soll diese Diagnostik auch mit dem weiteren Verlauf der Erkrankung des jeweilig getesteten Patienten abgeglichen werden. Wir haben Grund zu der Annahme, mit den neuen diagnostischen Tests etwas zum künftigen Verlauf der Erkrankung aussagen zu können – eine wertvolle Aussage, die bislang kein diagnostisches Verfahren leisten kann.

Neue Tests zur genaueren Differenzierung

Bislang wird mit dem in der Gastroskopie gewonnenen Dünndarmgewebe eine immunologische Gewebsfärbung bestimmter Zellen mit nachfolgender Beurteilung der Zellen im Mikroskop vorgenommen. Dies wird ergänzt durch eine Untersuchung des Erbmaterials (DNS) auf Veränderungen im T-Zellrezeptor (Molekularpathologie). Der T-Zellrezeptor ist ein Schlüsselmolekül, das auf der Oberfläche bestimmter Entzündungszellen sitzt (den T-Zellen) und eine zentrale Funktion in der Immunabwehr von Erregern hat. Diese Funktion kann es nur ausüben, wenn es mehrere Millionen unterschiedliche Versionen dieses Moleküls gibt und daher eine riesige Zahl von Bakterien, Viren und Parasiten erkannt werden können. Bei einem Patienten, der unter der schweren Form der refraktären Zöliakie leidet, vermehrt sich eine bestimmte T-Zelle unter der großen Zell-Schar so stark, dass sie als „Klon“ mittels etablierter Tests erkannt werden kann. Allerdings gibt es auch häufig „Graubefunde“, d. h. solche Testergebnisse, die dem Arzt nicht sicher sagen können, ob der Patient die schwere Form der refraktären Zöliakie hat oder nicht. Hier sollen die neuen Verfahren greifen. Im ersten Verfahren, der FACS-Analyse von T-Zellen aus dem Darm, werden in einem ersten Schritt die Entzündungszellen aus dem Gewebe gelöst und mittels Antikörper sehr spezifisch gefärbt. Dann wird die Antikörperbindung mehrerer Zehntausend der vereinzelten Zellen in einem sogenannten FACS-Gerät (engl. Fluorescent Activated Cell Sorter) untersucht und so der Anteil der „kranken“, wir sagen auch „aberranten“, T-Zellen quantifiziert. Dies lässt sich vor und nach Therapie machen. Die Zahl aberranter T-Zellen eignet sich dann – so die Hypothese – auch zur Beurteilung des Patienten im Verlauf, z. B. zur Abschätzung des Therapieerfolgs. Wir müssen noch evaluieren, inwiefern die gleich zu Beginn der Erkrankung gemessene Zahl aberranter T-Zellen auch etwas zur initialen Erkrankungsausprägung sagt. Das zweite Verfahren, die tiefe Sequenzierung der T-Zellrezeptoren, untersucht die Erbinformation (DNS) der Patienten – ähnlich wie die bereits etablierte Molekularpathologie. Nur macht es dies erheblich genauer als die Molekularpathologie, da es den wichtigen Teil des T-Zellrezeptors sequenziert, d. h. die genaue Abfolge der Basen in der DNS analysiert. Dies muss es aufgrund der riesigen Variantenzahl dieses Rezeptors allerdings millionenfach in der Probe wiederholen – eine wahre Herkules-Tat, die allerdings durch moderne DNS-Sequenzierungsgeräte beherrscht wird und bei der wir daher von einer „tiefen“ Sequenzierung sprechen. In Analogie zum oben geschilderten Phänomen können wir in dieser Technik anhand der Zahl sich wiederholender T-Zellrezptor-Sequenzen auf das Vorhandensein sogenannter T-Zellklone schließen – und dies vermutlich bereits, wenn diese noch nicht sehr ausgeprägt vorliegen.

Wie den oben ausgeführten Erläuterungen vielleicht bereits entnommen werden kann, ändert sich dabei für den Patienten hinsichtlich der Belastung durch solche Tests nichts. Sowohl für die etablierten als auch für die neuen Techniken müssen Gewebsproben aus dem Zwölffingerdarm, d.h. dem ersten Teil des Dünndarms, gewonnen werden. Nur so könnte sich eine bessere Einteilung in die Erkrankungstypen ergeben, die eine sichere Entscheidung, ob eine Therapie notwendig ist, erlaubt und den Erfolg dieser Behandlung dann anhand genau der Zellen, die durch die Therapie attackiert werden, kritisch überprüfen kann. Somit kann über eine optimierte Diagnostik und damit eine gezielter anzuwendende Therapie ein erheblicher Benefit für den Patienten entstehen.
Autor
DR. MED. MICHAEL SCHUMANN
  • Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin
www.drschaer-institute.com