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Compliance bei glutenfreier Ernährung

Dr. Schär Institute Zöliakie Glutenunverträglichkeiten Compliance bei glutenfreier Ernährung
Das Einhalten der glutenfreien Ernährung ist nicht immer einfach. Es gibt verschiedene Faktoren, die das Ernährungsverhalten von Zöliakiebetroffenen beeinflussen.
Die einzige Behandlungsmöglichkeit einer Zöliakie ist eine lebenslange glutenfreie Ernährung. Die glutenfreie Diät hat sich von der einstigen Bananen-Diät (siehe Infokasten), einer sogenannten Ausschlussdiät, zu einer Ernährungsform gewandelt, die viele von Natur aus glutenfreie Lebensmittel sowie zahlreiche glutenfreie Fertigprodukte umfasst. Trotzdem muss angemerkt werden, dass Essen weitaus mehr ist als das reine Stillen der physiologischen Bedürfnisse nach Nährstoffen. Es ist häufig in das Geflecht unseres Lebens verstrickt, das aus kulturellen, sozialen und emotionalen Bedürfnissen besteht. Aus den Schlussfolgerungen einiger Studien zur Lebensqualität geht hervor, wie schwierig es vor allem in gesellschaftlichen Situationen ist, eine Diät einzuhalten, gerade bei einer Erkrankung, deren einzige Behandlung in einer strikten, lebenslangen Ernährungsumstellung besteht. Die Gründe für die Nichteinhaltung der Diät sind ebenso vielfältig wie deren Folgen.

Glutenfreie Ernährung und Lebensqualität

Verschiedene Studien haben den Zusammenhang zwischen der Starrheit einer glutenfreien Diät, der Einhaltung der Diät und dem Lebensqualitätswert beschrieben. [1,2,3,4,5,6] Einige dieser Studien beschreiben eine zunehmende Angst in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Anlässen. [7,8] In der Studie von Gray berichten 74% der Studienpopulation (n= 788) von Angst und Depression. Vor der Diagnose waren es hingegen nur 50%. [7] Angst und Besorgnis hängen oft damit zusammen, in Gesellschaft von Freunden zu sein, sich anders zu fühlen, Angst vor der Kontamination der eigenen Speisen zu haben. [2,6,9] In den Studien von Lee et al [3,1] sind, ähnlich wie in europäischen Studien, vor allem die Bereiche „Essen außer Haus“, „Reisen“, „Soziale Interaktion“ und „Arbeit“ am negativsten besetzt. Allerdings gibt es in diesen Studien, im Gegensatz zu den europäischen, keinen signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern. [10]

Von einer ähnlich negativen Auswirkung auf den sozialen Bereich der Lebensqualität berichtet Cranney et al. [3] Cranney stellt fest, dass 81 % der Befragten Restaurants meiden, 38 % vermeiden es zu reisen und 91 % bringen ihr eigenes glutenfreies Essen auf Reisen mit, um die glutenfreie Diät einhalten zu können. [3] In einer anderen Studie [2] wird die emotionale und soziale Last der Diät als Grund dafür angegeben, gesellschaftliche Aktivitäten zu meiden, wobei der allgegenwärtige negative Einfluss der Diät auf das Leben des Einzelnen unterstrichen wird.

Compliance-Probleme

Zahlreiche Studien haben über die Compliance bei Zöliakie berichtet. [11,12,13,14,9,4,15,7] Laut einer Studie, die Briten mit südasiatischer und solche mit kaukasischer Herkunft vergleicht, halten die Südasiaten weniger strikt an der glutenfreien Diät fest. [16] Die südasiatischen Patienten neigen weniger dazu, eine Ernährungsberatung aufzusuchen, sich Zöliakie-Selbsthilfegruppen anzuschließen und sich mit Informationen von Ärzten und Ernährungsberatern zu befassen. [16]

In der jüngsten Studie aus den USA geben nur 45,5 % der afroamerikanischen Patienten an, sich trotz Zöliakie, die mittels Biopsie erwiesen wurde, strikt an die glutenfreie Diät zu halten. [17]

Weitere Studien zeigen außerdem, dass das Alter eine Rolle bei der Einhaltung der Diät spielt. [2] In Barratts Studie an Zöliakiepatienten im Vereinigten Königreich geben nur 4 % der Teilnehmer unter 35 Jahren an, die Diät strikt zu befolgen, und 12 % der Unter-35-Jährigen bestätigen eine teilweise Einhaltung der Diät [2] im Gegensatz zu den Über-36-Jährigen in derselben Studienpopulation. Die Gründe für die Non-Compliance reichen von der Schwierigkeit der Einhaltung beim Essen außer Haus über den gesellschaftlichen Umgang bis hin zu persönlichen Beziehungen. Heirat oder Geschlecht gelten nicht als entscheidende Faktoren für die Compliance. [2]

In einer Studie mit 123 Jugendlichen mit Zöliakie gaben 65 % an, die glutenfreie Diät strikt zu befolgen, 23,6 % gestanden, sich trotz ärztlicher Verschreibung einer glutenfreien Diät weizenhaltig (also nicht glutenfrei) zu ernähren, und 11,4 % gaben zu, gelegentlich weizenhaltige Lebensmittel zu konsumieren. [11] Die Jugendlichen seien sich allerdings völlig bewusst über die Missachtung der Diät und erklärten, die Diät zu unterbrechen, um Schwierigkeiten in gesellschaftlichen Situationen zu vermeiden. [11] Jene, die sich nicht an die glutenfreie Diät hielten, berichteten über mehr Symptome als die anderen beiden Gruppen. Die Antikörperspiegel waren in allen drei Gruppen hoch, wobei das höchste Niveau 27,5 bei jenen festgestellt wurde, die keine glutenfreie Diät befolgten, und 18,7 sowie 14,2 respektive bei jenen, die eine strikte glutenfreie Diät bzw. eine einigermaßen strikte glutenfreie Diät befolgten. Die erhöhten Antikörperspiegel standen im Zusammenhang mit den Veränderungen der Zotten, die mittels Darmbiopsien an den Betroffenen festgestellt werden konnten. [11]

Green stellte fest, dass Betroffene in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen, z. B. beim Essen in Restaurants, auf Partys und bei sonstigen Anlässen außer Haus, „absichtlich schummelten“. Nur 68 % der Teilnehmer gaben an, die Diät „ständig“ zu befolgen und 30 % erklärten, die Diät „meistens“ einzuhalten. [18] Zwar können diese Daten im Vergleich zu den Ergebnissen bei Erhebungen anderer Diäten als positiv gewertet werden, doch sind die Folgen eines Verstoßes gegen die Diät für den Zöliakiebetroffenen gravierend. Es besteht ein erhöhtes Risiko von Infertilität, peripheren Neuropathien, Knochenschwund, Lymphomen und Krebserkrankungen des Dünndarms und der Speiseröhre. [19]

Ähnliche Resultate ergab auch eine Umfrage unter Jugendlichen. [6] Die im Selbstbericht angegebenen Compliance-Raten wurden anschließend mit den Antikörperspiegeln der Jugendlichen und den Befunden der Darmbiopsien verglichen. Die Gruppe jener, die zugaben, die Diät nicht zu befolgen, wies verschiedene Stufen von Darmbeschädigungen und Schleimhautanomalien auf. Interessanterweise gab es auch unter jenen, die angegeben hatten, sich strikt an die glutenfreie Diät zu halten, Anzeichen von Schleimhautanomalien. [6] Ciacci schloss daraus, dass auch jene, die angegeben hatten, sich strikt an die glutenfreie Diät zu halten, diese doch nicht streng genug eingehalten hatten. Eine Folgestudie kam zu dem Ergebnis, dass das Maß der subjektiv wahrgenommenen Diät-Compliance in starkem Kontrast zur tatsächlichen Compliance stand. [1] Bei der Befragung eines Querschnitts von 50 Probanden mit Zöliakie über deren generelle Einhaltung der Diät gaben sowohl Männer als auch Frauen ein sehr hohes Maß an Compliance an (98 %). Auf genauere Nachfrage, unter welchen Umständen sie speziell Gluten zu sich nähmen, gaben jedoch beide Geschlechter zu, häufig von der Diät abzuweichen. 81 % der Männer gaben an, bei gesellschaftlichen Aktivitäten, in Restaurants (82 %) und im Beisein von Freunden (58 %) bewusst Gluten zu sich zu nehmen. Frauen gaben häufiger als Männer zu, von der Diät abzuweichen. 88 % der Frauen gaben an, bei gesellschaftlichen Anlässen und im Restaurant von der Diät abzuweichen, 67 % der Befragten hielten die Diät in Gesellschaft von Freunden nicht ein. [1]

Schlussfolgerung

Diese Studien zeigen die Notwendigkeit weiterer Forschungen im Bereich der Nichteinhaltung von glutenfreien Diäten auf. Da die Nichteinhaltung der Diät häufig im gesellschaftlichen Faktor der Lebensqualität begründet liegt, sind Studien zur Erforschung von Methoden, um das Gefühl der Isolation zu verringern und das Gefühl von Zugehörigkeit, Akzeptanz und Normalität der Ernährungseinschränkung zu stärken, notwendig.

Praxis-Tipps

Der Grundstein der Therapie von Patienten mit glutenbedingten Beschwerden ist die Einhaltung einer glutenfreien Diät. Der Patient benötigt unter anderem konkrete Lösungen für das tägliche Leben. Hier finden Sie einige Vorschläge, die auf den neuesten Forschungsergebnissen basieren.
  • Stellen Sie Informationsmaterial zur Verfügung, um den unmittelbaren Informationsbedarf des Patienten zu stillen. Eventuell sollte das Informationsmaterial je nach Bedarf in „Überlebenstechniken“ (welche Lebensmittel sind glutenfrei und was muss vermieden werden, wo gibt es vor Ort glutenfreie Lebensmittel), Tipps für das tägliche Leben (Etiketten lesen, Rezepte usw.) und langfristige Bewältigungsstrategien (Essen außer Haus und auf Reisen) aufgeteilt werden.
  • Nehmen Sie sich bei Folgeberatungen genügend Zeit, um sich nach der Umstellung auf die glutenfreie Diät und dem neuen Lebensstil des Patienten zu erkundigen.
  • Fordern Sie die Familie des Patienten auf, an den Folgeberatungen teilzunehmen. Dies stellt eine gute Gelegenheit dar, um über die Anpassung des Lebensstils zu sprechen.
  • Geben Sie Ihrem Patienten Namen und Kontaktdaten der örtlichen Selbsthilfegruppe weiter. Persönliche Betreuung erhöht die Einhaltungsquote der Diät, stärkt das Gefühl der Unterstützung und verringert das Gefühl der Isolation.
  • Ermutigen Sie Patienten, denen die neue Ernährungsweise oder die Einhaltung der Diät schwerfällt, sich an Selbsthilfegruppen oder an die Familienberatung zu wenden.
Autorin
ANNE ROLAND LEE, EDD, RD, LD
Director of Nutritional Services Schar USA. Zuvor arbeitete sie als Ernährungstherapeutin im Celiac Disease Centre an der Columbia University im Bereich Patientenbetreuung und Forschung.
Quellen
  1. Lee, A.R., Diamond, B., Ng, D., Ciaccio, E., Green, PHR. (2012). Quality of life of individuals with celiac disease; Survey results from the United States. Journal of Human Nutrition and Dietetics. 25, 233-238.
  2. Barratt, S.M., Leeds, J.S., Sanders, D.S. (2011). Quality of life in coeliac disease is determined by perceived degree of difficulty adhering to a gluten free diet, not the level of dietary adherence ultimately achieved. J Gastrointestin Liver Dis, 20;(3): 241-245.
  3. Cranney, A., Zarkadas, M., Graham, I.D., Butzner, J.D., Rashid, M., Warren, R., Molly, M., Case, S., Burrows, V., Switzer, C. (2007). The Canadian Celiac Health Survey. Dig Dis Sci. 52: 1087-1095.
  4. Hallert, C., Granno, C., Hulten, S., Midhagen, G., Strom, M., Svensson, H. et al. (2002). Living with celiac disease: controlled study of the burden of illness. Scan J Gasteonterol, 37, 39-42.
  5. Johnston, S., Rodgers, C., & Watson, R.G.P. (2004). Quality of life in screen detected and typical celiac disease and the effect of excluding dietary gluten. European Journal of Gastroenterology and Hepatology, 16, 1281-1286.
  6. Ciacci, C., D’Agate, C., Franzese, C., Errichiello, S., Gasperi, V., Pardi, A., Quagliata, D., Visentini, S., Greco, L.. (2003). Self-rated quality of life in celiac disease. Digestive Disease Science, 48(11), 2216-2220.
  7. Gray, A.M. & Papanicolas, I.N. (2010). Impact of symptoms on quality of life before and after diagnosis of celiac disease: results from a UK population survey. BMC Health Services Research 10; (105).
  8. Hauser, W., Janke, K.-H., Klump, B., Gregor, M., Hinz, A. (2012). Anxiety and depression in adult patients with celiac disease on a gluten free diet. World Journal of Gastroenterology, 16 (22); 2780-2787.
  9. Sverker A, Hensing G, Hallert C (2005). Controlled by food-lived experiences of celiac disease. J Human Nutrition and dietetics; 18;171-80.
  10. Lee, A.R., & Newman, J. (2003). Celiac diet: Impacts on quality of life. J Am Diet Assoc. 2003;103:1533-5.
  11. Mayer, M., Greco, L., Troncone, R., Auricchio, S., & Marsh, M.N. (1991). Compliance of adolescents with coeliac disease with a gluten-free diet. Gut, 32, 881-885.
  12. Ciacci, C., Iavarone, A., Siniscalchi, M., Romano, R., & De Rosa, A. (2002). Psychological dimensions of celiac disease: toward an integrated approach. Digestive Diseases and Sciences, 47(9), 2082-2087.
  13. Fabiani, E., Catassi, C., Villari, A., Gismondi, P., Pierdomenico, R., Ratsch, I.M. et al. (1996). Dietary compliance in screening-detected coeliac disease adolescents. Acta Paediatr Suppl, 412, 65-67.
  14. Hauser, W., Gold, J., Stein, J., Caspary, W.F., Stallmach, A. (2006). Health-related quality of life in adult celiac disease in Germany: results of a national survey. European Journal of Gastroenterology and Hepataology; 18(7); 747-754.
  15. Casellas, F., Rodrigo, L., Vivancos, J.L., Riestra, S., Pantiga, C., Baudet, J.S. Junquera, F., Divi, V.P., Abadia, C., Papo, M., Gelabert, J., Malagelada, J.R. (2008). Factors that impact health related quality of life in adults with celiac disease: A multicentered study. World J Gastroenterology; 14(1); 46-52.
  16. Butterworth JR, Iqbal TH, Cooper BT. (2005). Coeliac disease in South Asians resident in Britain: comparison with white Caucasian coeliac patients. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2005 May; 17(5):541-5.
  17. Brar P 1, Lee AR, Lewis SK, Bhagat G, Green PH. 2006). Celiac disease in African-Americans. Dig Dis Sci. 2006 May; 51(5):1012-5. Epub 2006 Apr 27.
  18. Green, P.H.R., Stravropoulos, S., Pangagi, S., Goldstein, S., McMahon, D.J., Absan, H., Neugut, A.I. (2001). Characteristics of adult celiac disease in the USA: Results of a national survey. The American Journal of Gastroenterology, 96, 126-131.
  19. Green, P.H., & Jabri, B. (2003). Coeliac disease. Lancet, 362, 383-391.
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