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Für und Wider der Low-FODMAP-Diät

Carlo Catassi

Ärztlicher Leiter der pädiatrischen Klinik, Abteilung für spezialisierte klinische Wissenschaften und Odontostomatologie, polytechnische Universität Marken, Ancona.
 
Sicherlich haben viele Leserinnen und Leser in Zusammenhang mit der Behandlung des Reizdarmsyndroms (RDS) in letzter Zeit häufig von der Low-FODMAP-Diät gehört, einer Ernährungsform mit einem geringen Gehalt an sogenannten FODMAP. Die Abkürzung FODMAPs steht für „Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides And Polyols“, also eine Gruppe unzureichend verwertbarer und schnell fermentierbare Kohlenhydraten,  die Ursache für eine übermäßige Sekretion von Wasser und Gasen im Darm sind und zu Durchfall, Blähungen, einem aufgetriebenen Bauch und Bauchschmerzen führen können. Bei der Low-FODMAP Diät wird diese Gruppe an Kohlenhydrate  aus der täglichen Ernährung verbannt. Zu den FODMAP zählen Oligosaccharide (Fruktane und Galactooligosaccharide), Disaccharide (Laktose), Monosaccharide (Fruktose) sowie Polyole (wie Sorbit, Mannit und Xylit). Die Liste der Nahrungsmittel, die bei der Low FODMAP-Diät vermieden werden müssen, ist lang und umfasst insbesondere glutenhaltige Getreidesorten (Weizen, Gerste und Roggen), alle Hülsenfrüchte (wie Linsen, Bohnen und Kichererbsen), verschiedene Sorten von Gemüse (wie Artischocken, Blumenkohl, Spargel, Pilze, Zwiebeln und Knoblauch) und Früchten (wie Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pflaumen, Pfirsiche, Wassermelonen, Trauben und Feigen) sowie alle laktosehaltigen Milchprodukte (wie Milch, Joghurt, Eis und Frischkäse).

Die 2005 von einer Gruppe Gastroenterologen und Ernährungswissenschaftlern unter der Leitung von Peter Gibson der Monash University in Melbourne (Australien) empfohlene Low-FODMAP-Diät fand unter den Fachleuten wachsende Zustimmung, weil sie nicht nur zur Behandlung des RDS, sondern auch zur Behandlung anderer Darmkrankheiten wie chronischen Darmentzündungen und Divertikulitis geeignet ist. Zahlreiche Studien sowie eine vor Kurzem durchgeführte Metaanalyse haben die Wirksamkeit der Low-FODMAP-Diät bestätigt, weil sie vor allem die typischen RDS-Symptome wie einen Blähbauch und Bauchschmerzen lindert. Die Britische Gesellschaft für Diätetik (British Dietetic Association) empfiehlt die Low-FODMAP-Diät als RDS-Therapie der zweiten Wahl, wenn der Patient nicht auf eine einfachere, eher „konventionelle“ diätetische Behandlung anspricht. Heute sind Rezeptbücher erhältlich, die sich direkt an den Patienten wenden und ihm vermitteln, wie eine Low-FODMAP-Diät im Alltag durchgeführt werden kann.

Unbestreitbar ist, dass die Einführung der Low-FODMAP-Diät einen Fortschritt darstellt in der Behandlung des RDS, einer Krankheit, von der ein erheblicher Teil der Bevölkerung (ca. 20 %) und hierbei insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter betroffen ist. Diese positiven Aspekte der Low-FODMAP-Diät vorausgeschickt, ist allerdings „nicht alles Gold, was glänzt“, wie uns ein bekanntes Sprichwort erinnert, weshalb wir uns im Folgenden mit einigen Vorbehalten gegen diese Diättherapie beschäftigen, die in ihrer Substanz nur scheinbar neu ist, da sie zumindest teilweise der schon seit langem eingesetzten balaststoffarmen Diät zur Behandlung des RDS entspricht.
Der erste Vorbehalt betrifft das, was die Low-FODMAP-Diät eigentlich beinhaltet. Obwohl die Liste der hierbei zu meidenden Kohlenhydrate bereits lang ist, bedeutet das nicht, dass sie vollständig ist – auch deshalb nicht, weil fortwährend neue Süßstoffe ähnlich Sorbit und Xylit auf den Markt kommen. Zudem muss Laktose nur von einem Teil der Betroffenen gemieden werden, und zwar von Menschen mit einem Laktasemangel im Darm. Alle anderen haben keine Probleme mit der Verträglichkeit von Laktose. Die wichtigste Frage lautet jedoch: Was ist eine Diät mit einem geringen Anteil an FODMAP, wenn quantitativ noch gar nicht definiert ist, was mit einer normalen oder reduzierten Zufuhr von FODMAP gemeint ist?

Der zweite Vorbehalt ergibt sich aus einer sorgfältigen Prüfung der in der Fachliteratur aufgeführten klinischen Studien zur Wirksamkeit der Low-FODMAP-Diät. Denn auch wenn der Großteil dieser Studien zeigt, dass die Diättherapie die Symptome vieler Patienten mit RDS (insbesondere den Blähbauch und die Bauchschmerzen) tatsächlich lindern kann, so ist ihre wissenschaftliche Qualität aufgrund häufiger methodologischer Schwächen oft unbefriedigend. So mangelt es beispielsweise an einer adäquaten Kontrollgruppe und vor allem an einem Doppelblindverfahren – grundlegende Voraussetzungen für den Ausschluss von Überschneidungen mit einem möglichen Plazeboeffekt der Behandlung. Interessant ist festzustellen, dass in den wenigen methodisch korrekt durchgeführten Studien, in denen die Wirksamkeit der Low-FODMAP-Diät mit der diätetischen „Standardbehandlung“ des RDS und nicht mit der „normalen“ Ernährung verglichen wurde, keine wesentlichen Vorteile dieser neuen Behandlung gegenüber der herkömmlichen Diättherapie festgestellt wurden.

Der größte Vorbehalt betrifft jedoch die Sicherheit und hier vor allem die langfristige Sicherheit der Low-FODMAP-Diät in Hinblick auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr. Dieser Aspekt ist noch nicht hinreichend bewertet, doch deuten einige indirekte Hinweise auf Folgendes hin: Von den zahlreichen Nahrungsmitteln, die bei der Low-FODMAP-Diät vermieden werden müssen, enthalten die glutenhaltigen Getreidesorten die meisten Fruktane. Die Studien mit Zöliakiepatienten, die ihre Diät bekanntlich ihr Leben lang befolgen müssen, haben gezeigt, dass diese Ernährungsform langfristig zu einem subklinischen Mangel an Ballaststoffen, Kalzium, Eisen, Folsäuren und Vitaminen der B-Gruppe führen kann. So ist die Gefahr eines Ballaststoffmangels bei Menschen, die sich entsprechend der Low-FODMAP-Diät ernähren, sicherlich erhöht, da diese Ernährungsform nicht nur verlangt, tagtäglich glutenhaltige Getreidesorten, sondern auch viele Frucht- und Gemüsesorten zu meiden. Zudem besteht bei der Low-FODMAP-Diät ein höheres Risiko für einen Kalziummangel als bei der Zöliakie-Diät, weil gleichzeitig keine laktosehaltigen Milchprodukte verzehrt werden. Weitere, ebenfalls nicht zu unterschätzende Risiken betreffen einen möglichen Mangel an Vitamin C und anderen natürlichen Antioxidantien aufgrund der deutlich eingeschränkten Zufuhr von frischem Obst und Gemüse.

Zusätzlich zu dem bisher Genannten könnte der erheblich reduzierte Verzehr von FODMAP-haltigen Nahrungsmitteln negative pathophysiologische Folgen haben, die noch nicht ausreichend erforscht sind. In der Tat sollte man nicht vergessen, dass diese Kohlenhydrate unter normalen Umständen mithilfe der Darmbakterien im Kolon fermentiert werden, wobei kurzkettige Fettsäuren und insbesondere Buttersäure entstehen, die ein hervorragendes Energiesubstrat für die Kolonzellen darstellen. Zudem verändert die Low-FODMAP-Diät die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm erheblich, wobei sich die Gesamtzahl der Bakterien und hier insbesondere der Bifidobakterien verringert und die Anzahl der Ruminococcaceae erhöht. Die Folgen dieser Veränderungen sind noch zu untersuchen.

Des Weiteren darf die Tatsache nicht unterbewertet werden, dass eine in Hinblick auf den Nährstoffgehalt ausgewogene Low-FODMAP-Diät die Verwendung von Nahrungsmitteln erfordert, die nicht immer leicht zu beschaffen sind und mehr kosten. Beispiele hierfür sind Pseudogetreide, Waldbeeren und exotische Früchte. Daraus folgt, dass diese Diät vor allem für Menschen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln langfristig schwierig zu befolgen sein kann.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Low-FODMAP-Diät eine neue Ernährungsform ist, die die Symptome des Reizdarms vor allem in Fällen, in denen die Betroffenen unter einem erheblichen Blähbauch und Bauchschmerzen leiden, deutlich lindern kann. Doch bleibt zu beweisen, dass sie deutlich mehr Vorteile mit sich bringt als herkömmliche Diätformen zur Behandlung des RDS. Sollte die Low-FODMAP-Diät langfristig durchgeführt werden, muss der Ernährungszustand der Patienten sorgfältig überwacht werden, um einen Mangel an Ballaststoffen und anderen wichtigen Nährstoffen wie Vitaminen und natürlichen Antioxidantien zu verhindern.
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