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Anämie bei Zöliakie im Kindesalter: Zusammenhänge zwischen klinischen und histologischen Daten und dem Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung.

Rajalahti T, Reop M, Kivelä L et al
 
Journal of Paediatric Gastroenterology and Nutrition, Online-Publikation vor Druck, März 2016

Zöliakie ist eine der häufigsten, lebenslangen gastrointestinalen Krankheiten, die bereits im Kindesalter auftreten. Eine der häufigeren Begleiterkrankungen bei einer unbehandelten Zöliakie im Kindesalter ist die Eisenmangelanämie. Selbst eine leichte oder subklinische Anämie kann nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit haben, da sie für Störungen der kognitiven und psychomotorischen Entwicklung und der Immunabwehr prädisponiert. Diese retrospektive Studie untersuchte und verglich eine Vielzahl an klinischen, histologischen, serologischen Daten und Laborbefunden sowie das Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung bei Kindern mit und ohne Anämie zum Diagnosezeitpunkt der Zöliakie.
Die Autoren der Studie werteten die serologischen Daten von 455 Kindern mit einer durch eine Dünndarm-Biopsie bestätigten Zöliakiediagnose aus, die seit dem Jahr 2000 in der Abteilung für Pädiatrische Gastroenterologie des Universitätskrankenhauses von Tampere, Finnland, behandelt wurden. Die Kinder wurden in zwei Gruppen unterteilt, nämlich in eine Gruppe mit Anämie und eine Gruppe ohne Anämie zum Zeitpunkt der Diagnose. Die Ergebnisvariablen beider Gruppen wurden miteinander verglichen und umfassten:
 
  • Demographische Daten
  • Anthropometrie
  • Begleiterkrankungen
  • Familienanamnese der Zöliakie
  • Klinische Präsentation (gastrointestinal/extraintestinal/durch Screening-Untersuchung nachgewiesen)
  • Ausprägung der klinischen Präsentation
 
Der Nachweis der Autoantikörper (IgA) gegen Transglutaminase-Antikörper (tTG) und Endomysium-Antikörper (EMA) sowie die Bestimmung der Gesamt-IgA-Konzentration im Serum erfolgte mit validierten Labortests. Die für eine Eisenmangeldiagnose relevanten Laborwerte wurden ebenfalls bestimmt und wo verfügbar erfasst. Allen Patienten wurden mindestens vier Gewebeproben aus dem distalen Duodenum entnommen. Pathologen untersuchten die Gewebeproben und klassifizierten das jeweilige Ausmaß der Dünndarmschädigung als partielle, subtotale oder totale Zottenatrophie. Die Einhaltung der glutenfreien Ernährung wurde nach 6 bis 12 Monaten beurteilt. Der Hämoglobin-Wert und die tTG- und EmA-Antikörper wurden nach einer medianen Glutenkarenz von 12 Monaten erneut bestimmt.
 
Von den 455 Kindern litten 82 (18 %) zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnose unter Anämie. Die Kinder mit Anämie waren zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnose signifikant älter und hatten weniger Fälle von Zöliakie in der Familie als die Kinder ohne Anämie. Die primäre klinische Präsentation zum Diagnosezeitpunkt war überwiegend extraintestinal. Im Hinblick auf die spezifischen gastrointestinalen Symptome litten die Anämie-Patienten weniger häufig unter Erbrechen und tendierten – statistisch nicht signifikant – häufiger zu Verstopfung und weniger häufig zu Diarrhö. In der Gruppe mit Anämie zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnose wurden höhere durchschnittliche Werte für tTG- und EmA-Antikörper gemessen. Die Schädigung der Darmschleimhaut war in der Anämie-Gruppe ebenfalls ausgeprägter, mit einem höheren Anteil an Kindern mit totaler Zottenatrophie.
 
Die Kinder in der Anämie-Gruppe zeigten beim Follow-up eine signifikant schlechtere Adhärenz zur GFD. In allen Fällen wurde jedoch nur gelegentlich eine Nichteinhaltung der Diät und in keinem Fall eine unkontrollierte Glutenaufnahme verzeichnet. Nach im Schnitt 12 Monaten unter Glutenkarenz zeigten beide Gruppen eine signifikante Verbesserung der Zöliakie-spezifischen Antikörperspiegel und Hämoglobin-Werte, wobei der mittlere Hämoglobin-Wert bei den Kindern der Anämie-Gruppe nach wie vor signifikant unter dem der Kinder ohne Anämie lag. Vier Kinder litten trotz strikter Glutenkarenz und guter klinischer und serologischer Response unter persistierender Anämie. 25 der Kinder mit Anämie begannen nach der Diagnose eine orale Eisensubstitution (darunter 3 der 4 Kinder mit persistierender Anämie). Insgesamt wurde infolge der GFD bei 94,3 % der Kinder mit Anämie und bei 96,6 % der übrigen Zöliakiepatienten eine Verbesserung der Zöliakie-Symptome beobachtet (gemessen an der Rückbildung der Zöliakie-Symptome, der signifikanten Reduktion der zöliakiespezifischen Autoantikörper und einer Verbesserung der Wachstumsstörungen und anomalen Laborwerte).
 
Das wesentliche Ergebnis dieser Studie war, dass die Krankheit bei den Kindern mit Anämie zum Zeitpunkt der Zöliakie-Diagnose sowohl gemäß den serologischen als auch den histologischen Befunden der Dünndarm-Biopsie schwerer verlief als bei den Kindern der Gruppe ohne Anämie zum Diagnosezeitpunkt. Des Weiteren zeigten die Kinder mit Anämie eine unvollständige Erholung der Hämoglobin-Werte, selbst nach durchschnittlich einem Jahr unter Glutenkarenz. Diese Ergebnisse korrelieren mit denen einer vergleichbaren Studie über erwachsene Zöliakiepatienten.1 Es scheint logisch, dass eine ausgeprägte Enteropathie infolge der verminderten Resorptionsfähigkeit des Darms die Entstehung einer Eisenmangelanämie begünstigen könnte. Wider Erwarten wurde diese These jedoch nicht durch eine korrelierende höhere Inzidenz der Zöliakie-assoziierten Diarrhö oder ein schwächeres Wachstum in der Anämie-Gruppe unterstützt. Es scheint möglich, dass eine Anämie nicht einfach eine Folge der Zöliakie ist, sondern vielmehr auch eine aktive Rolle in der Zöliakie-Pathogenese spielen könnte. In einer Studie älteren Datums identifizierten Matysiak-Budnik et al2 einen Transferrin-Rezeptor zur Glutenaufnahme, der bei Eisenmangel von den Zellen der Darmmukosa vermehrt exprimiert wird. Entsprechend könnte eine Anämie wiederum eine Zöliakie verstärken und so zu einem pathogenen Teufelskreis führen.
 
Die Autoren dieser Studie schlussfolgerten, dass eine Anämie zum Diagnosezeitpunkt der Zöliakie mit einer fortgeschritteneren klinischen und histologischen Präsentation der Krankheit assoziiert ist. Daher ist der frühzeitige Anämie-Nachweis in dieser pädiatrischen Patientengruppe besonders wichtig, um mögliche permanente Komplikationen im Zusammenhang mit einer fortgeschrittenen Zöliakie zu verhindern. Jeder Kliniker sollte sich zudem bewusst sein, dass die Gesundung von Anämie-Patienten trotz strikter Glutenkarenz länger dauern kann als erwartet. Daher ist ein engmaschiges Follow-up dieser Patienten besonders wichtig.
 
Literatur
  1.  Abu Daya H, Lebwohl B, Lewis SK et al. Celiac disease patients presenting with anaemia have more severe disease than those presenting with diarrhea. Clinical Gastroenterol Hepatol 2013; 11:1472-7. 
  2. Matysiak-Budnik T, Moura IC, Arcos-Fajardo M et al. Secretory IgA mediates retrotranscytosis of intact gliadin peptides via the transferrin receptor in celiac disease. J Exp Med 2008; 205:143-54
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