Dr. Schär Institute verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu

Wissensplattform für spezielle Ernährungsbedürfnisse. Für Ernährungsfachkräfte und Ärzte.

Dr. Schär Institute
Menü

Diagnose der Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (NCGS) bei Patienten mit funktionellen gastrointestinalen Symptomen: Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit Glutenprovokation.

Elli L, Tomba C, Branchi R et al
 
Nutrients 2016; 8: 84; doi:10.3390/nu8020084
 
Die Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (kurz: Weizensensitivität oder NCGS) ist eine funktionelle gastrointestinale Krankheit, die durch gastrointestinale und extraintestinale Symptome gekennzeichnet ist, die nach dem Genuss glutenhaltiger Nahrungsmittel auftreten. Anhand der derzeit verfügbaren Bluttests und histologischen Untersuchungen kann eine NCGS nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
Primäre Grundlage des NCGS-Diagnoseverfahrens ist daher das Ansprechen auf eine glutenfreie Ernährung, wenn weder eine Zöliakie noch eine Weizenallergie vorliegt. Die Analyse der Reaktion potenzieller NCGS-Patienten auf Glutenkarenz kann neben der Wirkung anderer aktiver Substanzen in Weizen, z. B. Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) und FODMAPs (Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides and Polyols), jedoch auch durch den Placebo-Effekt verzerrt werden. Eine korrekte Diagnose ist unerlässlich, um unnötige diätetische Einschränkungen zu vermeiden, wirksame Behandlungsoptionen bereitzustellen und den Bedarf an symptomlindernden Arzneimitteln bei funktionellen gastrointestinalen Beschwerden einschließlich Reizdarmsyndrom zu reduzieren.
 
Ziel dieser klinischen Studie war, innerhalb einer Patientenkohorte, die unter Glutenkarenz eine Verbesserung ihrer gastrointestinalen Symptome verzeichnete, Patienten mit NCGS zuverlässig durch eine doppelblinde, placebokontrollierte Glutenprovokation (DBPCGP) mit Cross-over zu identifizieren. Die klinische Studie wurde in 15 ambulanten gastroenterologischen Prüfzentren in Italien durchgeführt. 140 erwachsene Patienten, die regelmäßig gastroenterologische Ambulanzen aufsuchen und die Rom-III-Kriterien für funktionelle Magen-Darm-Störungen erfüllen, wurden in diese klinische Studie eingeschlossen. Alle Patienten ernährten sich glutenhaltig, testeten negativ auf Antikörper der Immunglobulinklasse IgA gegen Tissue-Transglutaminase (IgA-tTGA) und IgE-vermittelte Weizenallergie und hatten einen normalen Gesamt-IgA. Bei Patienten mit starkem klinischen Verdacht auf Zöliakie wurde zudem eine Duodenalbiopsie entnommen, um Patienten mit serologisch negativer Zöliakie auszuschließen.
 
Phase 1 der klinischen Studie untersuchte die Reaktion der Patienten auf Glutenkarenz. Zunächst erfolgte eine Beurteilung der Krankheitssymptome und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität anhand von Visuellen Analogskalen (VAS) (Skala von 1 bis 10) und dem Gesundheitsfragebogen Short Form 36 (SF36). Im Anschluss an diese erste Bewertung wurde für die Dauer von 3 Wochen eine glutenfreie Ernährung eingeführt. Dabei wurden die Patienten durch einen Ernährungsexperten umfassend beraten und unterstützt. Am Ende von Phase 1 füllten die Patienten die VA-Skalen und den SF36-Fragebogen erneut aus. Patienten, die eine signifikante gesundheitliche Verbesserung (VAS ≥ 3, n = 101) angaben, galten als ‚Gluten-Responder‘ und wurden in die zweite Phase der klinischen Studie eingeschlossen.
 
Diese Responder wurden aufgefordert, sich in Phase 2 (placebokontrollierte, doppelblinde Glutenprovokation mit Cross-over) weiter strikt glutenfrei zu ernähren. In diese Phase der klinischen Studie wurden 98 Patienten eingeschlossen (3 Patienten lehnten eine weitere Teilnahme aus Angst vor einem symptomatischen Relaps unter Glutenprovokation ab). Die Patienten wurden randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt und erhielten 7 Tage lang 5,6 g/Tag Gluten (Kapseln mit aufbereitetem Gluten, entspricht 80 g getrockneten Nudeln) oder Placebo (Kapseln mit Reisstärke). Vor dem Cross-over erfolgte eine 7-tägige Auswaschphase, sodass Phase 2 der klinischen Studie insgesamt 21 Tage dauerte (während dieser Zeit ernährten sich die Patienten weiter glutenfrei). Im Anschluss an jede Phase (Glutenprovokation/Placebo, Auswaschphase und Cross-over), d. h. nach jeweils 7 Tagen, füllten die Patienten erneut die VA-Skalen und den SF36-Fragebogen aus. Insgesamt berichteten die Patienten unter Glutenprovokation über stärkere gesundheitliche Verschlechterungen als unter Placebo (p = 0,05). 28 der randomisierten Patienten reagierten ‚positiv‘ auf die DBPCGP (d. h. sie erlitten einen symptomatischen Relaps unter Glutenaufnahme) und 69 Patienten erwiesen sich als DBPCGP-‚negativ‘ (d. h. kein symptomatischer Relaps unter Glutenaufnahme). Ein Zusammenhang zwischen demografischen, klinischen oder biochemischen Faktoren und der Reaktion auf die Glutenprovokation wurde nicht festgestellt. Unter den als ‚positiv‘ identifizierten Patienten schien die Reihenfolge, in der die Gluten- und Placebokapseln eingenommen worden waren, keinen signifikanten Effekt zu haben. Bemerkenswerterweise wurden 14 von 28 ‚positiven‘ Patienten auch als Placebo-Responder identifiziert. Dies deutete erwartungsgemäß auf einen signifikanten Placebo-Effekt hin.
 
Insgesamt erlitten 14 % der 98 randomisierten ‚Gluten-Responder‘ einen symptomatischen Relaps während der verblindeten, placebokontrollierten Glutenprovokation (ohne gleichzeitiges Ansprechen auf Placebo) und konnten entsprechend als Patienten mit NCGS identifiziert werden. Dieses Ergebnis bestätigt, dass die Aufnahme von Gluten in einer Subgruppe von Patienten mit funktionellen Darmstörungen gastrointestinale Symptome hervorrufen kann. Dies ist die erste klinische Studie, die die Effektivität des zweistufigen Diagnoseprotokolls „Diagnosis of NCGS: The Salerno Experts‘ Criteria“1 in der klinischen Praxis untersuchte und beurteilte. Die hohe Anzahl von Patienten, die auf Glutenkarenz reagierten (75 %), jedoch nicht auf die Glutenprovokation nach Glutenkarenz, ist bemerkenswert. Diese Diskrepanz ist wahrscheinlich zum Teil einem möglichen Placebo-Effekt geschuldet. Viele Patienten könnten jedoch auch auf andere unspezifische Substanzen in Weizen reagieren, z. B. ATIs oder FODMAPs.
 
1 Catassi C, Elli L, Bonaz B et al. Diagnosis of Non-coeliac Gluten Sensitivity (NCGS): The Salerno Experts Criteria. Nutrients 2015; 7: 4966-4977.
www.drschaer-institute.com