Dr. Schär Institute verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu

Wissensplattform für spezielle Ernährungsbedürfnisse. Für Ernährungsfachkräfte und Ärzte.

Dr. Schär Institute
Menü

Fallbericht: Funktionelle Symptome bei behandelter Zöliakie?

A case of functional symptoms in treated coeliac disease
Die Patientin, Frau X, war 35 Jahre alt, verheiratet mit zwei kleinen Kindern. Sie war selbständig, ihre Berufstätigkeit erforderte häufige längere Geschäftsreisen. Vor ihrer Überweisung in unser Zentrum für Zöliakie und Gluten-Weizensensitivität hatte sich die Patientin mit Erschöpfungszuständen und gastrointestinalen Symptomen, insbesondere Durchfall und chronische Bauchschmerzen, bei ihrem Hausarzt vorgestellt. 
Frau X wurde an einen beratenden Gastroenterologen in unserem Krankenhaus überwiesen. Dieser bestätigte die Zöliakie(CD)-Diagnose basierend auf einer positiven Zöliakie-Serologie in Verbindung mit einer positiven Duodenalbiopsie (siehe Tabelle 1).

 

Tabelle 1

Serologie Baseline-Spiegel Follow-up nach  Referenzbereich
tTG 77 3 0-7 U/ml
EMA stark positiv negativ n/z
Histopathologie Marsh 3c Marsh 1 n/z
Ferritin 35 78 µg/l
Folsäure 4 12.7 >4.6 µg/l
B12 246 653 197-771 ng/L
Vitamin D 26 54 nmol/l > 30 (idealer Wert > 50)
DEXA osteopenisch n/z n/z


Zur weiteren Beratung und Unterstützung im Zusammenhang mit der Umstellung auf eine konsequent glutenfreie Ernährung (GFD) wurde Frau X an die ernährungsmedizinische Beratung überwiesen. Im Verlauf der nächsten zwei Jahre erschien Frau X zu regelmäßigen Nachuntersuchungen im Zusammenhang mit ihrem glutenfreien Ernährungsregime. Ihre Serumwerte verbesserten sich und es zeigten sich erste Symptomverbesserungen. Allerdings litt sie weiter unter periodisch auftretenden Episoden mit Bauchschmerzen sowie Blähungen und Durchfall, die sowohl ihre Arbeit als auch die Qualität ihres Privatlebens beeinträchtigten.
 
Die ernährungsmedizinische Analyse, die das Führen eines Ernährungstagebuchs mit schriftlichen und fotografischen Einträgen beinhaltete, ergab, dass Frau X konsequent auf glutenhaltige Nahrungsmittel verzichtete. Nach Rücksprache mit ihrem beratenden Gastroenterologen wurde eine GFD für extrem glutensensitive Patienten eingeleitet (Verzicht auf glutenfreie Weizenstärke, glutenfreie Haferflocken, Gerstenmalz und deren Derivate gemäß Codex-Alimentarius-Standard). Diese weiteren Einschränkungen führten jedoch zu keiner signifikanten Verbesserung ihrer gastrointestinalen Symptome.
 
Nach weiterer Rücksprache mit ihrem beratenden Gastroenterologen wurde eine erneute Gastroskopie empfohlen. Diese zeigte eine fast vollständige Erholung der Duodenalschleimhaut der Patientin bei nur geringfügig erhöhter Anzahl der intraepithelialen Lymphozyten, was einer Verbesserung von einem Marsh-Typ 3c auf 1 entsprach. Die verbesserten Serumwerte und die Erholung der Dünndarmschleimhaut ließen vermuten, dass die anhaltenden Symptome der Patientin möglicherweise funktioneller Natur waren.
 
In der Fachliteratur ist heute hinreichend belegt, dass Zöliakie, Reizdarmsyndrom (RDS) und andere funktionelle gastrointestinale Beschwerden einander nicht ausschließen, sondern nebeneinander als Komorbiditäten bestehen können.1 Eine jüngere prospektive Kohortenstudie an Zöliakie-Patienten ergab für einige funktionelle Symptome beim Follow-up nach 1 Jahr eine Prävalenz von 47 % – trotz Einhaltung einer streng glutenfreien Ernährung.2 Darüber hinaus wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie nachgewiesen, dass bei Zöliakie-Patienten in serologischer und histologischer Remission mit anhaltenden funktionellen Symptomen eine FODMAP-arme Ernährung (FODMAP-Konzept) einer weiteren Glutenrestriktion überlegen ist.3
 
Die Ergebnisse der erneuten Biopsie beruhigten Frau X und sie war hoch motiviert, das FODMAP-Konzept als weitere Behandlungsoption auszuprobieren. Im Rahmen einer diätetischen Follow-up-Untersuchung wurden die aktuellen Symptome der Patientin (Baseline) bestimmt. Hierzu wurde der Fragebogen „Gastrointestinal Symptom Rating Scale“ (GSRS), ein validiertes Instrument zur Erfassung von Reizdarmsymptomen, verwendet.4 Die Prinzipien des FODMAP-Konzepts wurden ausführlich mit Frau X besprochen. Der Patientin wurden Beispielmenüs ausgehändigt und geeignete digitale Anwendungen vorgestellt, um den Einstieg in dieses Therapiekonzept zu erleichtern. Frau X erhielt die Kontaktdaten der Ernährungsberatung und wurde ermutigt, uns über ihre Fortschritte auf dem Laufenden zu halten.
 
Nach einer sechswöchigen Restriktionsphase zeigten sich bei Frau X signifikante Verbesserungen im Hinblick auf die Symptome Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlkonsistenz (siehe Tabelle 2). Eine Wiedereinführungsphase wurde besprochen und eingeleitet. Hierbei wurden Laktose, Fruktose und Polyole als wesentliche Ernährungs-Trigger für ihre Symptome identifiziert. Bei der Erstellung des langfristigen individuellen FODMAP-reduzierten Ernährungsplans musste die Notwendigkeit einer streng glutenfreien Ernährung berücksichtigt werden. Diese zwei diätetischen Therapiekonzepte sollten nicht gleichgesetzt werden. So war es besonders wichtig sicherzustellen, dass die die FODMAP-Restriktionen die Aufnahme von Ballaststoffen, Calcium und anderen Nährstoffen nicht beeinträchtigten.
 
Interessanterweise beurteilte Frau X das FODMAP-Konzept – wohlgemerkt als zusätzliche Therapie zu ihrer glutenfreien Ernährung – als „gesellschaftlich äußerst restriktiv“ und als „nur schwer in Familienmahlzeiten zu integrieren“. Einige Studien deuten auf mögliche Beeinträchtigungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQOL) während der Restriktionsphase des FODMAP-Konzepts hin. Ein Diätregime, das das FODMAP-Konzept mit einer streng glutenfreien Ernährung kombiniert, sollte nur bei Patienten mit bestätigter Erholung der Dünndarmschleimhaut angewendet werden, für die RDS- und funktionelle Symptome besonders problematisch sind.

 

Tabelle 2

Schlüssel:  Prä LFD. Post LFD
Symptom Keine Leicht Mittel Schwer
Bauchschmerzen    
Völlegefühl    
Starke Blähungen    
Aufstoßen      
Darmgeräusche/-gurgeln    
Stuhldrang    
Unvollständige Darmentleerung      
Übelkeit      
Sodbrennen      
Saures Aufstoßen      
Abgeschlagenheit/Lethargie    
 
Stuhlgang 2-5 x / Tag 2 x / Tag
Bristol Stool Chart 6-7 5-3
 

References

  1. Sainsbury A, Sanders DS, Ford AC. Prevalence of irritable bowel syndrome-type symptoms in patients with celiac disease: a meta-analysis. Clin Gastroenterol Hepatol. 2013;11(4):359-65.e1. doi:10.1016/j.cgh.2012.11.033.
     
  2. Silvester JA, Graff LA, Rigaux L, et al. Symptoms of Functional Intestinal Disorders Are Common in Patients with Celiac Disease Following Transition to a Gluten-Free Diet. Dig Dis Sci. July 2017:1-6. doi:10.1007/s10620-017-4666-z.
     
  3. Nuland K. The effect of a low FODMAP diet in addition to a gluten free diet on symptoms and quality of life in patients with Celiac disease and IBS-like symptoms: A randomized, controlled clinical study NUCLI395 – Master’s Thesis in Clinical Nutrition. http://bora.uib.no/bitstream/handle/1956/13025/144679742.pdf?sequence=1&isAllowed=y. Accessed July 16, 2017.
     
  4. Svedlund J, Sjödin I, Dotevall G. GSRS--a clinical rating scale for gastrointestinal symptoms in patients with irritable bowel syndrome and peptic ulcer disease. Dig Dis Sci. 1988;33(2):129-134. doi:10.1007/BF01535722.
www.drschaer-institute.com