Dr. Schär Institute verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf der Seite weitersurfen stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu

Wissensplattform für spezielle Ernährungsbedürfnisse. Für Ernährungsfachkräfte und Ärzte.

Dr. Schär Institute
Menü

Vegetarische Ernährung und Zöliakie

Carlo Catassi, Giulia Naspi Catassi, Clinica Pediatrica, Università Politecnica delle Marche, Ancona, Italy
 
Wie bereits bekannt, schließt das Prinzip der vegetarischen Ernährung alle Arten von Fleisch und Fisch aus, wohingegen die vegane Ernährung neben dem Fleisch und dem Fisch auch alle anderen Lebensmittel tierischen Ursprungs ausschließt, wie beispielsweise Milchprodukte und Eier. Laut dem Forschungsinstitut Eurispes gab es 2014 4,2 Millionen Vegetarier und Veganer in Italien (7,1 % der Bevölkerung), was einem Anstieg um 15 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die häufigsten Gründe dieser Ernährungsform sind die gesundheitlichen Vorteile, ethische und religiöse Gründe, der Umweltschutz sowie wirtschaftliche Betrachtungen.
Der Übergang zur vegetarischen/veganen Ernährung verzeichnet auch in den Bevölkerungsgruppen mit besonderen spezifischen Ernährungsanforderungen einen Zuwachs, wie beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen und bei Personen mit Zöliakie.
Die zeitgleiche Befolgung von zwei verschiedenen Diäten, und zwar einer vegetarischen/veganen und einer glutenfreien, stellt den Anwender vor besondere Probleme. Kann man im Kindesalter eine glutenfreie Ernährung befolgen, die gleichzeitig auch den vegetarischen oder veganen Ernährungsstil respektiert? Welche Lebensmittel eignen sich für den Ernährungsplan, der dieser „doppelten“ Einschränkung gerecht wird? Gibt es irgendwelche spezifischen Risiken, die es bei einer gleichzeitigen Anwendung der glutenfreien und vegetarischen/veganen Ernährung zu beachten gilt? In diesem Artikel werden wir versuchen, kurz und zusammenfassend auf diese Fragen zu antworten, wobei wir ein besonderes Augenmerk auf das Kindesalter legen.
 
Vorteile und Grenzen der vegetarischen/veganen Ernährung
 
Viele Studien zeigen die möglichen Vorteile der vegetarischen Ernährung auf. Die gesundheitlichen Auswirkungen der vegetarischen und veganen Ernährungsformen können wie folgt zusammengefasst werden: (a) geringeres Risiko in Bezug auf Übergewicht, Dyslipidämie, metabolisches Syndrom, Typ-II-Diabetes, Bluthochdruck und ischämische Kardiomyopathie; (b) geringeres Krebsrisiko im Allgemeinen und insbesondere für den Magen-Darm-Trakt und die Prostata; (c) geringere Sterberate, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Bestätigt wird diese Tatsache dadurch, dass die Lebenserwartung der vegetarischen Bevölkerung 1,5–2,4 Jahre höher ist als jene der nicht vegetarischen Bevölkerung.
Demgegenüber stehen die nicht zu vernachlässigenden möglichen Risiken einer vegetarischen/veganen Ernährung. Dem vegetarischen Speiseplan mangelt es in erster Linie an Vitamin B12, das fast ausschließlich in Lebensmitteln tierischen Ursprungs enthalten ist. In geringerem Maße trifft dieser Mangel auch auf Eisen zu. Der noch strengere Speiseplan der Veganer weist einen entsprechenden Mangel an Kalorien, Eiweißen (aufgrund der geringeren biologischen Wertigkeit der pflanzlichen Proteine), Fetten (insbesondere aufgrund des Mangels an Omega-3-Fettsäuren, sprich Docosahexaensäure = DHA und Eicosapentaensäure = EPA), Zink, Kalzium und einigen Vitaminen (A und D) auf. Außerdem besteht bei der vegetarischen und veganen Ernährung die Gefahr einer übermäßigen Einnahme von Ballaststoffen (> 0,5 g/kg/Tag), was zu einer übermäßigen Verringerung der Kaloriendichte führen und die Aufnahme der Mineralstoffe beeinträchtigen könnte.
 
Aspekte der glutenfreien Ernährung
 
Hinsichtlich der Behandlung der Zöliakie verlangt die glutenfreie Ernährung bekanntermaßen die Beseitigung sämtlicher Derivate von Weizen, Gerste und Roggen. Das Gluten macht den Haupteiweißanteil dieser Getreidesorten aus. Nichtsdestotrotz beeinträchtigt der diätbedingte Mangel an diesem Eiweiß nicht die allgemeine Qualität der Eiweißzufuhr, da das Gluten nur eine sehr geringe biologische Wertigkeit aufweist, insbesondere aufgrund des Lysinmangels. Das Gluten kann problemlos durch Produkte auf Basis von Eiweißen, die nicht toxisch sind (Mais, Reis), oder andere pflanzliche Eiweiße (z. B. Hülsenfrüchte) ersetzt werden. Da Weizen einen Hauptbestandteil der mediterranen Ernährung darstellt, kann seine Eliminierung zu einem entsprechenden Mangel an anderen Nährstoffen führen, insbesondere an Ballaststoffen, Kalzium, Eisen und Folsäuren. Zu diesen, nebenbei bemerkt nebensächlichen, Mangelerscheinungen kann vor der Diagnose auch die bei Zöliakie vorliegende intestinale Malabsorption beitragen.
 
Tipps für Vegetarier/Veganer, die an Zöliakie leiden
 
Obschon es keine Gründe dafür gibt einem Kind (oder Erwachsenen), das/der sich glutenfrei ernähren muss, einen vegetarischen/veganen Ernährungsplan zu verneinen, versteht es sich von selbst, dass die doppelte Diät einige Besonderheiten mit sich bringt, die wir hier nachstehend zusammenfassen werden.
Für Menschen mit Zöliakie, die sich vegan ernähren, ist es besonders wichtig, eine angemessene Zufuhr von Lebensmitteln mit hoher Kaloriendichte sicherzustellen, wie beispielsweise glutenfreie Getreidesorten und Pseudogetreide, Marmeladen, Trockenfrüchte oder natives Olivenöl. In Anbetracht der geringen Verdaulichkeit der pflanzlichen Eiweiße wird bei der veganen Ernährung außerdem eine erhöhte Tageszufuhr an Eiweißen von 30–35 % bei Kindern bis zu zwei Jahren, von 20–30 % bei Kindern bis zu sechs Jahren und von 15 % bei Kindern über sechs Jahren empfohlen. Die Werte richten sich nach den für Nichtvegetarier empfohlenen Werten. Die wichtigsten Eiweißquellen pflanzlichen Ursprungs sind Hülsenfrüchte und Getreide (selbstverständlich ohne Gluten für Menschen mit Zöliakie). Die wichtigsten Vitamin B12-Quellen für Vegetarier/Veganer sind angereicherte Lebensmittel, zum Beispiel Rezepte auf Sojabasis. Aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit des in den Pflanzen enthaltenen Eisens ist sowohl für Vegetarier als auch für Veganer eine um 80 % erhöhte Eisenzufuhr empfehlenswert. Man sollte wissen, dass Lebensmittel mit einem hohen Vitamin-C-Gehalt die Aufnahme des Eisens begünstigen, wohingegen andere pflanzliche Bestandteile (Phytinsäuren, Tannine und Ballaststoffe) die Aufnahme hemmen. Die Nutzung von mit Eisen angereicherten Lebensmitteln kann während schneller Wachstumsphasen empfehlenswert sein. Auch bei Zink besteht das Problem der geringen Bioverfügbarkeit, insbesondere bei einer erhöhten Einnahme von Phytinsäuren, die in großen Mengen in Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten vorkommen. Daher ist im Vergleich zur normalen Zufuhr eine um 50 % erhöhte Zinkzufuhr empfehlenswert. Die Lebensmittel mit dem höchsten Zinkgehalt sind Hülsenfrüchte, Trockenfrüchte, Käse und fermentierte Sojaprodukte. Die Kalziumzufuhr ist bei der vegetarischen Ernährung angemessen, da Milch und Milchprodukte eine große Menge an Kalzium enthalten. Bei der veganen Ernährung hingegen ist die Kalziumzufuhr meist nicht ausreichend. Daher ist es angebracht, mit Kalzium versetzte Lebensmittel, wie beispielsweise Sojaprodukte, zu nutzen oder Lebensmittel, die von Natur aus einen hohen Kalziumgehalt besitzen, wie beispielsweise Blattgemüse, Kohlarten und Mandeln.
Einige Lebensmittel mit hohem Fettgehalt, wie beispielsweise Nüsse, Ölsamen (Sonnenblume, Kürbis, Sesam, Leinen, Mohn), Avocado, Sojaprodukte und pflanzliche Öle spielen eine wichtige Rolle bei der veganen Ernährung. Es ist wichtig, dass die vegane Ernährung alpha-Linolensäure-Quellen (ALA, ω-3), wie beispielsweise gemahlene Leinsamen, Nüsse und Sojaprodukte, sowie Öle mit geringem Linolsäuregehalt (ω-6), wie beispielsweise natives Olivenöl, umfasst.
Obwohl es schon ausreicht, wenn man Kinder mit hellem Hauttyp ein wenig der Sonne aussetzt, um dem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen, kann es bei der veganen Ernährung zu einer geringen Vitamin-D-Aufnahme kommen. Das Problem lässt sich mittels der Aufnahme angereicherter Lebensmittel (Rezepte auf Soja- oder Reisbasis) oder mithilfe von Nahrungsergänzungsmitteln lösen. Eine fleischfreie Ernährung ist von Natur aus arm an Vitamin A, aber dem Mangel kann durch die Zunahme von Lebensmitteln mit hohem Carotingehalt (Provitamin A) vorgebeugt werden. Zu diesen Lebensmitteln gehören Früchte und orange oder gelbe Gemüsesorten sowie Blattgemüse.
 
Das Problem der Glutenkontamination
 
Für Zöliakiepatienten ist es äußerst wichtig sicherzustellen, dass die zu sich genommenen Lebensmittel nicht mit Gluten kontaminiert sind. Leider weisen einige Lebensmittel, die auf dem Speiseplan von Vegetariern/Veganern stehen, wie beispielsweise Soja, Hülsenfrüchte und Ölsamen, ein hohes Risiko auf, mit Gluten kontaminiert zu sein. Daher sollte man bei der Auswahl dieser Produkte darauf achten, dass auf der Verpackung das Gütesiegel für glutenfreie Produkte angebracht ist.
 
Schlussfolgerungen
 
Der vegetarische oder vegane Speiseplan stellt eine vollwertige Option für Kinder oder Erwachsene dar, die an Zöliakie leiden und sich dementsprechend glutenfrei ernähren müssen. Die Wahl der Lebensmittel muss auf Grundlage der in diesem Artikel kurz angesprochenen Anforderungen sorgfältig geplant werden und es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Lebensmittel nicht mit Gluten kontaminiert sind.
www.drschaer-institute.com